Das Kesselhaus

… Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden ...

(Sunzi, um 500 v. Chr, »Die Kunst des Krieges«)

Mit etwas Phantasie habe ich mir folgende Situation vorgestellt:

Seit meiner Geburt, so stellte ich mir vor, lebe ich in einem Haus. Im Keller befindet sich die Heizungsanlage, die für Wärme im Winter und Warmwasser für das ganze Jahr sorgt. Gut geschützt in dieser Anlage befindet sich ein Kessel. Der muss mit Wasser gefüllt sein. Ein Schwimmer sorgt dafür, dass bei Minimum ein Ventil geöffnet wird, das Wasser bis Maximum zuführt. Dann schließt sich dieses Ventil wieder.

Das Ventil bekommt irgendwann einen Wackelkontakt. Es ist ein Montagsventil. Das äußert sich dergestalt, dass es manchmal nicht mehr schließt. Dann wird der Kessel über Maximum mit Wasser gefüllt. Der Schwimmer scheppert gegen den oberen Kesselrand. Das versetzt den Kessel in Schwingungen. Der Elektronenverwutzler J sendet Fehlinformationen an die Lichter und Lampen. Alles blinkt, scheppert, die Alarmanlage geht los, der Wassermelder schrillt, weil im Keller das Wasser schon knöchelhoch steht, und ich laufe wie ein kopfloses Huhn herum und weiß nicht, was ich tun soll.

Irgendwann hört der Wackelkontakt auf zu wackeln und das Ventil schließt wieder. Der Elektronenverwutzler beruhigt sich, das Wasser fließt durch den Abfluss, aber mein Schock sitzt tief. In dieser Situation rufe ich einen Fachmann. Der prüft die Anlage, lässt das Wasser aus dem Kessel, bis der Schwimmer das Signal gibt, Wasser nachlaufen zu lassen. Das Ventil schließt vorschriftsmäßig. Der Fachmann erklärt mir, dass die Anlage in Ordnung sei, aber ein paar Schrauben seien im oberen Bereich locker, die sollte ich besser bei Gelegenheit anziehen. Dann erhalte ich eine Rechnung über 250 Euro plus Anfahrt.

Nach einer geraumen Zeit der Ruhe, fast hätte ich den ersten Vorfall vergessen, wiederholt sich das Desaster. Diesmal lasse ich einen Meister seines Faches das Kesselhaus untersuchen. Meine Vermutung mit dem Wackelkontakt am Ventil trage ich vor. Der Meister lacht mich aus. Sagt mir, dass ich keine Ahnung habe, aber dafür einige Schrauben locker. Wenn ich die anziehen und nicht so viel Wert auf das Geblinke meines Elektroverwutzlers legen würde, müsste ich ihm nicht seine kostbare Zeit stehlen. Die Rechnung über 380 Euro enthält die Märchensteuer.

So studiere ich in der nächsten Zeit die Baupläne, versuche Schrauben, die sich durch die Vibration gelockert haben, wieder fest zu ziehen. Erhalte Tipps, dass ich mir eine Wärmeflasche bereiten kann, wenn es kalt wird und die Ohren zuhalten soll, dann würde ich den Krach nicht mehr hören. Der eigentlich nicht da ist, denn die Anlage ist doch in Ordnung, wie mehrere Experten festgestellt haben. Das war sie aber längst nicht mehr. Auf die ständigen Desaster ist die Anlage nicht ausgelegt, nach und nach versagen beteiligte Instrumente ihren Dienst.

Irgendwann, viele Desaster später, nimmt mich tatsächlich ein Experte ernst, ist sogar anwesend, während eines solchen Ereignisses. Er tippt auf einen Wackelkontakt des Ventils, kann mir aber nicht helfen. Die Anlage soll ich schonen, so gut ich kann. Die Garantiezeit ist längst abgelaufen. Das würde eh keine Rolle spielen, denn die Firma hatte längst Pleite gemacht und ein Ersatzteil ist darum nicht mehr auf  dem Markt erhältlich. Die Anlage ist so fest installiert, dass sie nicht einfach herausgerissen werden kann, eine Reparatur ist auch nicht möglich. Das Ventil reagiert unberechenbar. Es ist ja nur ein Wackelkontakt. Das ist die Ursache. Alles andere sind die Auswirkungen des Wackelkontaktes.

So überlege ich mir Lösungen für das Problem. Der Kessel hat einen Wasserstandanzeiger und es besteht die Möglichkeit, manuell Wasser einzubringen. Wenn ich den Wasserstand im Kessel regelmäßig warte und kontrolliere, kann ich dafür sorgen, dass der Schwimmer nicht mehr die Marke erreicht, die das Signal für das Ventil gibt. Oder ich passe auf, wenn Wasser nachläuft und stelle den Zulaufhahn ab, wenn das Ventil versagt. Beides setzt voraus, dass ich diese Kontrolle meines Kesselhauses zu meinen täglichen Pflichten nehme.



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