Die Analyse meiner Anfälle

… Wenn Du Deinen Feind kennst und Dich selbst kennst, brauchst du das Ergebnis von 100 Schlachten nicht zu fürchten.

Sunzi (um 500 v. Chr.), chinesischer General und Militärstratege, »Die Kunst des Krieges«


Was passierte mit mir bei einem MM Anfall?

Um eine möglichst genaue Analyse durchzuführen, habe ich mir alle Kleinigkeiten in Erinnerung gerufen. Das war insofern schwierig, als dass sich die Zeitspanne der einzelnen Phasen proportional zu der Anfallshäufigkeit verkürzte.

Die ersten Anfälle habe ich mir zurückgerufen. Zu Beginn war diese merkwürdige Übelkeit. Sie unterschied sich von »normalem« Unwohlsein dadurch, dass ich bereits in dieser Phase das Bedürfnis hatte, mich hinlegen zu wollen. Anfangs hielt diese Beklemmung mehrere Stunden an. Später habe ich sie nur kurz wahrgenommen. Vermutlich reagierte der Körper bereits auf eine Zunahme der Innenohrflüssigkeit.

Irgendwann setzte dann das Gefühl ein, als hätte ich Watte im Ohr, das mit einem Druckgefühl verbunden war. Fast zeitnah vernahm ich ein Dröhnen. Dieses Geräusch übertönte bei weitem meinen Tinitus, den ich bereits nach den ersten Anfällen bekam. Das konnte der Moment sein, in dem sich das Reißner-Membran unter dem Druck ausdehnte. Es musste das Zeitfenster sein, das mir der Menière einräumte. In dieser Zeit wollte ich Einfluss nehmen auf das Geschehen.

Wenn das Häutchen dem Druck nicht mehr standhalten konnte und einriss, war es für Maßnahmen zu spät. Dann konnte ich nur warten, bis es sich, nach unendlich langen Stunden, wieder geschlossen hatte. In dieser Zeit drehte sich alles um mich und ich brach mir die Seele aus dem Leib. Es waren die einsamsten Momente meines Lebens, in denen ich hilflos dieser Naturgewalt ausgeliefert war.

Mir kam meine Todessehnsucht wieder in den Sinn, als ich mich an den letzten großen Anfall, vor der Behandlung erinnerte. Daran, dass meine Gedanken darum kreisten, wie ich es schaffen könnte, meinem Leben ein Ende zu setzen, weil es nicht mehr aufhören wollte. Einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag lang drehte sich alles um mich, musste ich brechen, später nur noch würgen, weil mein Magen nichts mehr hergab. Damals haben sich meine Gedanken darum gedreht, wie ich es schaffen könnte, mich aus dem Leben zu machen, damit es endlich aufhört. In diesem Moment hatte ich keine Angst vor dem Tod. Ich war nur Lebensmüde, im wahrsten Sinne des Wortes.

Geschützt durch eine unsichtbare Scheibe aus Panzerglas betrachtete ich meine damaligen Gedankengänge. Und dann stellte ich mir eine Frage, auf die ich keine Antwort fand: Wenn ich damals keine Angst vor dem Tod hatte, warum bereitete mir das Leben jetzt solche Furcht? Je länger ich mich mit dieser Frage beschäftigte, um so mehr fiel das Tuch der Angst von mir ab. Diese Frage habe ich verinnerlicht und lebe nun weitestgehend angstfrei.



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